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10.11.2022

Ein Jahr nach der Flut: Elektro-Innung Ahrweiler blickt auf die Katastrophe zurück

Das Innungsteam dankt allen Helfern für den selbstlosen Einsatz

Die Lagerhalle der Firma Maschinenbau Schiele aus Niederzissen (Foto: Dominik Tietz, Elektro-Innung Ahrweiler)

Ein Jahr ist seit der Flutkatastrophe vergangen. Die Elektro-Innung Ahrweiler mit Obermeister Christian Müller, die in puncto Aufräumen und Notinbetriebnahme des Stromnetzes mit an erster Stelle stand, blickt zurück auf die vermutlich größte Herausforderung, die sie je durchgestanden hat.

Angenommen, eine Flutwelle zerstört die eigene Heimat. Und man steht der regionalen Elektro-Innung vor. Was das bedeutet, hat Christian Müller hautnah erlebt. Ohne Strom geht nichts. Kein Auspumpen, kein Trocknen, kein Wiederaufbau. Christian Müller befand sich als Obermeister von Amts wegen an vorderster Front, als es darum ging, die Notinbetriebnahme des Netzes im Kreis anzupacken. Eine Mammutaufgabe. Zutiefst dankbar ist er allen Helfern, die selbstlos bis an den Rand der Erschöpfung geschuftet haben, um das Unmögliche möglich zu machen. Stand der Dinge heute: Die damals installierten rund 2000 Baustromverteiler, 1000 Kleinverteiler und zig Kilometer Gummikabel werden jetzt zurückgebaut, um eine dauerhafte, professionelle Stromversorgung zu installieren.

Der Flut folgte eine Welle der Hilfsbereitschaft

Erst kam die Schlammwelle, dann eine zweite Flut. So schildert es Christian Müller. „Eine überwältigende Welle der Hilfsbereitschaft ergoss sich über das Ahrtal.“ Auslöser war ein Aufruf von Innungs-Mitglied Dominik Tietz auf Instagram unmittelbar nach der Katastrophe. „Wenn ihr irgendwie helfen könnt im Kreis Ahrweiler, dann meldet euch bitte bei mir, ich versuche jetzt irgendwas hier zu organisieren“. Mit diesen Worten wandte sich der tatkräftige Elektromeister an die E-Familie in der Außenwelt. Mit Erfolg. Sein Beitrag wurde in kürzester Zeit tausendfach geteilt. „Es kamen Spenden von der Industrie, von anderen Innungen, von privat“, berichtet Müller. Und welche Mengen. „Täglich kamen an die 200 Helfer, am Wochenende auch 300.“ Voll beladene schwere LKW standen vor der Tür, angereist aus allen Teilen Deutschlands. „Es war fantastisch, aber wir fühlten uns auch total überfordert.“ Mehr als verständlich.

Eine Organisation musste aufgebaut werden, aus dem Nichts. Denn auf eine solche Naturkatastrophe war niemand auch nur im Ansatz vorbereitet. Ebenso wenig darauf, wo und wie im puren Chaos ein Anfang zu finden sein könnte in puncto Wiederaufbau. Das zerstörte Tal war kaum erreichbar, Straßen und Brücken zerstört, Kabel und Trafostationen aus dem Boden gerissen, viele Flutopfer hatten weder Telefon noch Handyempfang.

Organisation der Hilfe vor Ort

Anstatt aber tatenlos auf Hilfe zu warten, legten die Elektroniker – früher „Elektriker“ - los. Allen voran Dominik Tietz, Innungskollege Frank Simonis und der Obermeister versuchten, Strukturen aus dem Boden zu stampfen. Zumindest das Lagerproblem war schnell gelöst. Das Unternehmen „Maschinenbau Schiele“ aus Niederzissen bot den Initiatoren an, die Spenden und Leihgaben auf ihrem gut zu erreichenden Firmengelände zu lagern. „Baustromverteiler, Kabel, Kleinverteiler: Die Waren haben den Boden nicht berührt“, schildert Christian Müller. „Die kamen mit dem LKW, dann ging es gleich auf den Anhänger am Auto und zu betroffenen Haushalten.“ Ohne die zahlreichen Helfer hätte das nie funktioniert. So organisierte beispielsweise die Innung für elektro- und informationstechnische Handwerke Frankfurt einen Sammeltransport und brachte per Hilfsgüter-LKW Stromerzeuger sowie rund 30 Baustromverteiler an die Ahr.

Weiter wurde für die Hochwasserhilfe der Elektro-Innung Ahrweiler eine zentrale Hotline für Telefon und E-Mail eingerichtet. Später gab es für die Sachspenden einen neuen Standort in Niederzissen, der u.a. mithilfe einer Wildkamera überwacht wurde, „es ging um Werte im sechsstelligen Bereich.“ Schließlich konnte man ein neues Lager in Gelsdorf finden. Neben Initiator Dominik Tietz, Frank Simonis und Christian Müller legten sich zahlreiche Helfer und Organisationen ins Zeug: die Handwerkskammer Koblenz, die Kreishandwerkerschaft Mittelrhein/ Ahrweiler, das Schiele-Team mit Geschäftsführerin Birgit Gros, Social Media-Fachfrau Alexandra Willems, die Ahrtalwerke GmbH, Westnetz GmbH, das Team des Fachverbandes Elektro- und Informationstechnik Hessen/ RLP FEHR mit seinem Präsidenten Christoph Hansen, Geschäftsführer Thomas Klisa und Stefan Petri, die Bürgerstiftung der Volksbank. Dazu kamen viele Helfer aus anderen Innungen, aus der Industrie und Privatleute.  

Bemerkenswert ist, dass auch Menschen, die selbst von der Flut betroffen waren, mit anpackten. Ob gewerblich, privat oder Verlust von Fahrzeugen: der Schlamm-Tsunami schädigte allein 14 Mitgliedsbetriebe der Elektro-Innung Ahrweiler. Dominik Tietz und Frank Simonis konnten sich wochenlang nicht mehr um die eigenen Unternehmen kümmern. Auch Christian Müller hat Federn gelassen und seinen Betrieb in die zweite Reihe gestellt: „ Ich will nicht klagen, die Wassermassen haben uns auch erwischt, aber noch lange nicht so gravierend wie manch andere“, erzählt er. Der Keller seines Hauses mit den Büroräumen wurde geflutet. Fassungslos von den sich überschlagenden Ereignissen in der Flutnacht, sah auch er, wie die blinkenden Lichter von Polizei und Feuerwehr am Ahrufer höher und höher wanderten – die Einsatzwagen wurden in immer höher gelegenen Straßen geparkt. Kurzentschlossen fuhr er durch bereits geflutete Straßen, um die Schwiegermutter aus ihrem Ahrweiler Haus zu holen. Alles ist gut gegangen. Das Glück hatte nicht jeder, weiß der Obermeister nur zu gut.

Doch zum Luftholen war keine Zeit: Die Notinbetriebnahme musste laufen. Die ahrtal-werke und Westnetz legten Strom in die Straßen. Das war mühsam. Viele Häuser standen leer, manche waren verschlossen, „es war nicht klar, was einen im Inneren erwartet.“ Ganz abgesehen davon, dass die Wucht des Wassers zahlreiche Kabel und Trafostationen schlicht aus dem Boden gerissen und weggespült hatte. Kam Strom in die Straße, war es Sache des Elektronikers, für die Hausanschlüsse zu sorgen.

Sehr viel wurde geschafft, sehr viel ist noch zu tun. Mittlerweile aber haben sich die Wogen etwas geglättet, schildert Christian Müller. Strukturen sind entstanden. So führt beispielsweise die HWK das weiter, was die Elektroniker am Anfang aufbauten: Eine Plattform mit Hilfsangeboten. „Handwerk baut auf.“

„Wir sind immer verantwortungsvoll mit den Hilfen, die hier ankamen, umgegangen“, betont Müller. „Und haben versucht, alles bestmöglich einzusetzen. Die betroffenen Menschen waren so dankbar. Jetzt wäre es schön, wenn gespendete Materialien wie Baustromkisten bei der KHS Ahrweiler gemeldet würden und zu uns zurückkämen.“

Quelle: Elektro-Innung Ahrweiler

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